Anlässlich des 150ten Geburtstages des russischen Malers Alexej von Jawlensky (1864-1941) wurde im Museum Wiesbaden unter dem Titel „Horizont Jawlensky 1900-1914“ im Februar eine Jubiläumsausstellung eröffnet, die das frühe Schaffen des Malers im Spiegel seiner künstlerischen Begegnungen reflektiert. Die Jubiläumsausstellung steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Joachim Gauck und wurde von dem ehemaligen Wiesbadener Oberbürgermeister Dr. Müller, der Wiesbadener Kulturdezernentin Lore Rose Scholz und diversen Kulturstiftungen tatkräftig gefördert. Insgesamt 180 Exponate werden in der Sonderausstellung gezeigt, darunter 100 Werke des Malers Jawlensky und 80 Werke der verschiedenen Wegbereiter, die das Oeuvre des Malers prägten.
Wichtiger Höhepunkt im Gedenken an Jawlensky war eine Geburtstagsgala, die Ende März von HERUS e.V. (Hessisch-russischer interkultureller Verein) im Steinsaal des Museums Wiesbaden organisiert worden war. Die Wichtigkeit der Veranstaltung, zu der Vertreter aus der russisch- deutschen Kulturszene, der deutschen Puschkin Gesellschaft und der Generalkonsul des russischen Generalkonsulates in Frankfurt Ruslan Karsanov geladen waren, muss auf dem Hintergrund der Ereignisse in der Ukraine und damit verbunden der
gegenwärtig wachsenden Entfremdung in den deutsch- russischen Beziehungen gesehen werden. Die jetzt entstehende Kluft kann nur durch einen intensiven kulturellen Dialog überwunden werden, womit die Sonderausstellung „Horizont Jawlensky“ zusätzliches Gewicht erhält. Dem Kurator der Ausstellung Dr. Zieglgänsberger und dessen wissenschaftlicher Assistentin Vera Klewitz gelang es, in einer eindrucksvollen Führung die Gäste in das Denken und Wirken des Malers Jawlensky einzuführen.
Porträt des Malers Alexej von Jawlensky
Zu den wichtigsten Stationen in der Entwicklung Jawlenskys gehören Erziehung und Ausbildung im zaristischen Russland in St. Petersburg, wo er in der Kunstakademie des berühmten russischen Malers Ilja Repins (1844-1930) seine erste künstlerische Ausbildung erfuhr, gefolgt von einem Aufenthalt in München 1896 -1902, Besuchen bei der Berliner Secession, einem Aufenthalt in Murnau 1908-1910 und diversen Frankreichreisen. Jawlensky lebte ab 1896 in München zusammen mit seiner Lebensgefährtin, Marianne von Werefkin (1860-1935) in der Giselastr 23 – einem Treffpunkt vieler Künstlerpersönlichkeiten. Der Beginn des Ersten Weltkriegs zwang den Maler zur Emigration in die Schweiz. Nach dem Krieg ließ er sich 1921 mit seiner Gattin Helene Nesnakomoff (1881-1965) in Wiesbaden nieder, wo er 1941 verstarb.
Zu den wichtigsten Wegbereitern Jawlenskys gehörten neben den Münchner Künstlern, darunter Wilhelm Leibl und dessen Kreis, Franz von Lenbach, Leo Putz auch der holländische Maler Vincent van Gogh, dessen Werke für Jawlensky befreiend wirkten und den Maler zu einer neuen Innerlichkeit und Geistigkeit brachten. Prägend für sein Kunstschaffen waren auch die Werke Paul Cézannes, Paul Gauguins und die des Malers Henri Matisse.
Das Titelbild des ausgezeichneten Katalogs „Selbstbildnis mit Zylinder“ zeigt, wie sehr Jawlensky von van Goghs „Selbstporträt“ inspiriert worden war. Zieglgänsberger verweist in seinem Katalogkommentar auf einen Auszug aus den „Erinnerungen“ Jawlenskys: „Im Frühling 1905 (er meinte 1906 R.Z.) fuhren wir alle nach der Bretagne an das Meer nach Caranteque. Hier arbeitete ich sehr viel. Und ich verstand, die Natur entsprechend meiner glühenden Seele in Farben zu übersetzen. Ich malte dort viele Landschaften, vom Fenster aus, Gebüsche und bretonische Köpfe. Diese Bilder waren glühend in Farben. Und mein Inneres war damals zufrieden…Zum erstenmal habe ich damals verstanden zu malen, nicht das, was ich sehe, aber das, was ich fühle.“ Die „subjektive Wahrnehmung“ seiner Innenwelt sollte, wie es bei Zieglgänsberger heißt, mittels lebhaft aufgetragener Malerei „sichtbar“ werden. Damit vollzog Jawlensky einen großen Schritt in Richtung Expressionismus und er trug dazu bei, „dass diese Ausdruckskunst in Deutschland überhaupt Verbreitung fand.“
Prägend auch war die Auseinandersetzung mit der Kunst Paul Cézannes und Paul Gauguins.
In einem Brief (Juni 1938) an Jan Verkade (einem Benediktinerpater aus Beuron und Verehrer Gauguins) schrieb Jawlensky damals: „Ich verstand, dass der Künstler mit seiner Kunst durch Formen und Farben sagen muss, was in ihm Göttliches ist. Darum ist das Kunstwerk ein sichtbarer Gott, und die Kunst ist Sehnsucht zu Gott.“ Was Jawlensky bei Gauguin faszinierte war das Gefühl für Farben, Rhythmen und Farbkontraste. Anregend waren für ihn auch Gauguins Auseinandersetzung mit ländlichen Traditionen und fernen Kulturen, mit der Kunst Japans, sein Interesse am Einfachen und Natürlichen. Ebenso bedeutsam für ihn war der Maler Henri Matisse und dessen in seinen „Notes d’un peintre“ dargelegte Auffassung, wonach die „Bildidee von zentraler Bedeutung eines künstlerisch fokussierten Schaffens ist (…) der alles andere untergeordnet werden muss, um eine dauerhafte Interpretation der Wirklichkeit zu geben.“
Das Verbindende zwischen russischer und deutscher Kultur
In seiner kurzen Ansprache zu Beginn des Galadinners nahm der Vorsitzende des HERUS e.V. Dr. Alexander Farias e Castro, in Anwesenheit des russischen Generalkonsuls (Frankfurt) Bezug auf die aktuelle Lage. Er sprach von der Notwendigkeit eines besseren „Geschichtsverständnisses“ gegenüber Russland, um die Befindlichkeit Russlands besser zu verstehen. Das bedeute ein Verständnis für den „Phantomschmerz“, welcher sich im Denken und Fühlen vieler russischer Bürger seit dem Zerfall der Sowjetunion manifestiere. Der Westen habe dieser Befindlichkeit nicht genügend Rechnung getragen. Dazu gehört die Reaktion auf die bis an die Grenzen Russlands erfolgende NATO Erweiterung, verbunden mit der Debatte über die Stationierung eines Raketenabwehrsystems in Polen.
Farias verwies außerdem auf die sehr prekäre Finanzlage der Ukraine, welche akut 36 Milliarden Euro benötige. Der russische Generalkonsul wies seinerseits in einer kurzen Ansprache auf die Rede des russischen Präsidenten Vladimir Putins vom 18.März hin, welche eine „Antwort auf viele offene Fragen“ gebe. Zugleich betonte er die Einzigartigkeit der in der Sonderausstellung zusammengetragenen Kunstsammlung Jawlenskys und verband dies mit dem Wunsch, die Ausstellung nach Russland zu bringen. Was die beiden Länder Russland und Deutschland verbinde, sei die 1000 Jahre alte Kultur, welche in den großen Werken der Dichtkunst, Malerei und Musik beider Länder ihren Niederschlag finde. Die 2. Vorsitzende von HERUS und Vorsitzende der deutschen Puschkin Gesellschaft, Clotilde von Rintelen, hatte zu Beginn der Veranstaltung auf den von HERUS 2013 herausgegebenen Bildband „Die russische Kirche in Wiesbaden als Wahrzeichen der Verbundenheit“ hingewiesen.
photo: Alexej von Jawlensky, Selbstbildnis mit Zylinder, 1904, Privatsammlung
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